Die Jury kürte in der Kategorie Belletristik Dinçer Güçyeter für sein Familienporträt „Unser Deutschlandmärchen“. Der Preis in der Kategorie Sachbuch/Essayistik ging an Regina Scheer für „Bittere Brunnen. Hertha Gordon-Walcher und der Traum von der Revolution“. In der Kategorie Übersetzung wurde Johanna Schwering für ihre Übersetzung des Buches „Die Cousinen“ der argentinischen Schriftstellerin Aurora Venturini geehrt.
Die Preisträger:innen
- Kategorie Belletristik
Dinçer Güçyeter: Unser Deutschlandmärchen. mikrotext
Begründung:
Traditionell wie innovativ queer erzählt, reißt einen diese Einwanderergeschichte mit ihrer Emotionalität und großen politischen Bedeutung von Anfang an mit. Der Roman blickt auf deutsche und europäische Verhältnisse, lässt die Worte zum Himmel fliegen, spart aber gleichzeitig die Demütigungen am Boden nicht aus. Dinçer Güçyeter fängt Geschichten mit einem Netz ein, das feiner gewebt ist als ein Schmetterlingskescher, kann schmerzliche Momente in komische verwandeln und hat uns mit „Unser Deutschlandmärchen“ einen mehrstimmigen Roman geschenkt, dessen poetischer Chor noch weiterklingen wird.
Dinçer Güçyeter ist Theatermacher, Lyriker, Herausgeber und Verleger. 2012 gründete er den Elif Verlag mit dem Programmschwerpunkt Lyrik und finanziert diesen bis heute als Gabelstaplerfahrer in Teilzeit. 2017 erschienen im Elif Verlag „Aus Glut geschnitzt“ und 2021 „Mein Prinz, ich bin das Ghetto“. 2022 wurde Güçyeter mit dem Peter-Huchel-Preis ausgezeichnet.
- Kategorie Sachbuch/Essayistik
Regina Scheer: Bittere Brunnen. Hertha Gordon-Walcher und der Traum von der Revolution. Penguin
Begründung:
Mit „Bittere Brunnen“ zeichnet Regina Scheer das außergewöhnliche wie exemplarische Leben von Hertha Gordon-Walcher nach und erzählt damit gleichzeitig eine Chronik der sozialistischen und feministischen Bewegungen im 20. Jahrhundert. „Bittere Brunnen“ geht dabei weit über eine gewöhnliche Biografie hinaus: Meisterlich und transparent verwebt die Autorin historische Recherchen mit persönlichen Erinnerungen. Geholfen hat ihr dabei ihr meisterliches Gedächtnis, mit dem sie Stück für Stück eine Sammlung erstellte. Dieses erzählende Sachbuch steht für große Offenheit im Umgang mit Brüchen, Ungereimtheiten und Leerstellen unseres Wissens um Lebensläufe – und ist eine genaue Dokumentation politischer Zusammenhänge, deren Spuren die Gegenwart prägen.
Regina Scheer arbeitet freiberuflich als Autorin und Herausgeberin. Sie veröffentlichte mehrere Bücher zur deutsch-jüdischen Geschichte. Ihre ersten beiden Romane „Machandel“ (Knaus Verlag, 2014) und „Gott wohnt im Wedding“ (Penguin, 2019) waren große Publikumserfolge. Für „Machandel“ erhielt sie 2014 den Mara-Cassens-Preis.
- Kategorie Übersetzung
Johanna Schwering: Aurora Venturini: Die Cousinen. dtv
Begründung:
Schmuddelliese – Worte, die wir längst vergessen glaubten – zaubert Schwering wieder ans Licht oder führt neue ein, die noch nie gehört auf Anhieb einleuchten: Stilletümpel. Ihre Worte schaffen Atmosphären und lassen uns den Geruch der Großstadt, das Ozon und die Orangenblüte aus den Buchseiten herausriechen. Schwerings Übersetzung nimmt die Unverschämtheiten des Originals mutig auf und folgt den eigentümlichen Grammatikregeln des Originals sowie seiner besonderen Härte und seinem sprühenden Witz. Ihr ist es mitzuverdanken, dass mit diesem fabelhaften Künstlerinnenroman erstmalig ein Buch der Argentinierin Aurora Venturini auf Deutsch vorliegt. Es mögen hoffentlich viele weitere, natürlich in der Übersetzung von Johanna Schwering, folgen.
Johanna Schwering arbeitet als freie Lektorin und Übersetzerin aus dem Spanischen und hat Lyrikbände von Maricela Guerrero und Legna Rodriguez Iglesias ins Deutsche übertragen. Ihre Übersetzung von Maricela Guerreros Gedichtband „Reibungen“ erhielt 2018 eine Lyrik-Empfehlung der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, der Stiftung Lyrik Kabinett und des Hauses für Poesie.
Über den Preis der Leipziger Buchmesse
Der Preis der Leipziger Buchmesse wird von einer siebenköpfigen Jury unter der Leitung von Insa Wilke vergeben. Der mit insgesamt 60.000 Euro dotierte Preis ehrt seit 2005 herausragende deutschsprachige Neuerscheinungen und Übersetzungen in drei Kategorien. Mehr Informationen finden Sie hier.