Am 21. Oktober 2022 wurden auf der Frankfurter Buchmesse die Gewinner:innen des Deutschen Jugendliteraturpreises verkündet.
„In allen ausgezeichneten Werken geht es um das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft“, so die Vorsitzende der Kritikerjury Karin Vach. „Die Preisbücher erzählen kunstvoll, wie Gegenwart und Zukunft unserer Gesellschaften gestaltet werden können und welche Rolle dabei die Erinnerung spielt. Die Geschichten spiegeln den Wert einer demokratischen Gesellschaft und zeigen, dass alle Mitverantwortung für das Gelingen tragen.“
Sieger in der Sparte Bilderbuch ist „Unsere Grube“ (Beltz & Gelberg) der schwedischen Autorin und Illustratorin Emma Adbåge. Mit Humor und Feingefühl erzählt sie von der Bedeutsamkeit unbeobachteter Kindheit. Sie lässt die Kinder gemeinsam und erfindungsreich Konflikte lösen und bestärkt sie, ihre Spielräume aktiv zu gestalten. Die Wirkung des ermutigenden Bilderbuchs ist auch der Übersetzung von Friederike Buchinger zu verdanken.
Als bestes Kinderbuch überzeugte „Die Suche nach Paulie Fink“ (Hanser) der US-amerikanischen Autorin Ali Benjamin. In diesem geht es nicht nur um Paulie Fink, der nach den Sommerferien spurlos verschwunden ist, sondern vielmehr um die Entwicklung der Ich-Erzählerin Caitlyn und die Bedeutung Einzelner in der Schulgemeinschaft. Der Roman besticht mit einer Kombination von Textsorten und dem Spiel von Realität und Fiktion. In ihrer Übersetzung geben Jessika Komina und Sandra Knuffinke die leisen und wilden Momente der Geschichte wieder.
Gewinner beim Jugendbuch ist Kirsten Boies zeitgeschichtlicher Roman „Dunkelnacht“ (Oetinger), der die Gräuel der „Penzberger Mordnacht“ im April 1945 beschreibt. In knappen Sätzen schildert Boie mit Präzision, wie ideologische Verblendung jede Menschlichkeit ausradiert, wie Nachbarn zu Mördern werden. Kirsten Boie ist mit dem fast szenisch verdichteten Text ein Stück Erinnerungsliteratur gelungen, das unter die Haut geht.
Bestes Sachbuch ist „Der Duft der Kiefern“ (avant) von Bianca Schaalburg. In ihrer Graphic Novel begibt sich die Autorin auf autobiografische Spurensuche und hinterfragt die Rolle ihrer Familie während der NS-Zeit. Ihr Werk ist auch ein Beitrag gegen das Vergessen und eine Aufforderung zur Auseinandersetzung mit der Vergangenheit. Eindrucksvoll wird gezeigt, wie grafisches Erzählen die Möglichkeiten der Wissensvermittlung erweitert.
Das Preisbuch der Jugendjury ist die Coming-of-Age-Geschichte „Hard Land“ (Diogenes) von Benedict Wells. Aus der Perspektive des 15-jährigen Sam beschreibt dieser Roman, angesiedelt in Missouri im Jahre 1985, die Zeit des Erwachsenwerdens. Es ist ein Sommer voll Abenteuer und Schmerz, der Sam die erste Liebe und die ersten Verluste bringt.
Der mit 12.000 Euro dotierte Sonderpreis Gesamtwerk geht an den 1940 geborenen Illustrator Hans Ticha. Seine Bilderwelten bewegen sich zwischen Poesie, Pop-Art und Persiflage. Charakteristisch sind die Verwendung knalliger Farben, reduzierter grafischer Formen sowie das Auftreten fantastischer Figuren mit kugelrunden Körpern.
Den Sonderpreis Neue Talente erhält die Illustratorin Mia Oberländer. In ihrem Comic „Anna“ (Edition Moderne) bearbeitet sie mit Verve und Humor das Thema Großsein. Auf farbflächigen Bildtafeln geht sie der Frage nach, was es bedeutet, nicht der Norm zu entsprechen. Durch die bildnerische Freistellung der Figuren und die Überzeichnung von Mimik wie Körperproportionen werden das Denken, Fühlen und Handeln der Protagonistinnen meisterhaft inszeniert.
Stifter des Deutschen Jugendliteraturpreises ist das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Ausrichter der Arbeitskreis für Jugendliteratur. Die Auszeichnung wird seit 1956 für herausragende Kinder- und Jugendbücher vergeben und ist mit insgesamt 72.000 Euro dotiert. Bis auf den Sonderpreis Gesamtwerk sind alle weiteren Auszeichnungen mit einem Preisgeld von 10.000 Euro verbunden. Zudem erhalten alle Preisträger:innen die bronzene Momo.
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